Vor einem Jahr habe ich bei einem Elternabend in unserem neuen Kindergarten in Schleswig-Holstein das Thema Mittagessen angesprochen. Aus unserer alten Kita in Berlin kannte ich ein abwechslungsreiches frisch vor Ort gekochtes Mittagessen. Im neuen Kindergarten wurde das Essen von einem Caterer geliefert. Drei bis fünf Mal die Woche stand Fleisch auf dem Speiseplan. Gemüse oder Rohkost gab es nicht jeden Tag. Ich war überrascht, denn ich hatte angenommen, es gäbe in Deutschland einen bundesweiten Standard für die Gemeinschaftsverpflegung an Schulen, Kindergärten und Krippen, der sich an wissenschaftlichen Empfehlungen orientiert. Schließlich ist schon lange erforscht, welche Nahrungsmittel Kinder für eine gesunde und ausgewogene Ernährung benötigen und welche sie nur in kleinen Mengen zu sich nehmen sollten.
Diesen bundesweiten Mindeststandard für das Essen in Kitas, Kindergärten, Hort und Schulen gibt es nicht (!). Es gibt Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), aber keine Mindestanforderungen für Qualität, Zubereitung, Zusammensetzung der Gemeinschaftsverpflegung. Das Thema wurde, wie es scheint, beim Ganztagsausbau von Schulen und Kindergärten von der Politik einfach vergessen. Dabei müssen wir uns heute nicht mehr nur fragen, wie abwechslungsreich und gesund die Mahlzeiten sind, die wir unseren Kindern anbieten. Sondern auch wie nachhaltig und ökologisch sie produziert und angebaut werden. Klimawandel und Artensterben schreiten alarmierend schnell voran. Ursachen dafür sind nicht zuletzt die Pestizide in der Landwirtschaft, die Massentierhaltung und eine Ernährungsweise, die sich nicht an regionalen und saisonalen Gegebenheiten orientiert, sondern am Preis.
Die Sarah Wiener Stiftung hat erkannt, dass Ernährungsbildung eines der zentralen Themen unserer Zeit ist. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, Kinder und Jugendliche zu zeigen, wo unser Essen herkommt, wie vielseitig es ist und wie viel Freude das Zubereiten frischer, saisonaler und regionaler Lebensmittel macht. Dafür bietet die Stiftung mit einer kostenlosen Weiterbildung zur/m Genussbotschafter:in Einstiegs- und Aufbau-Workshops sowie Informationsmaterial für Erzieher:innen, Pädagog:innen, Fach- und Lehrkräfte zur Ernährungsbildung an.
An unserer Kita verstanden viele Eltern unser Anliegen zunächst nicht. Täglich Fleisch zum Mittagessen wird oft als normal angesehen oder sogar als besonders hochwertige Ernährung verstanden. Doch unsere Kita-Leitung nahm unsere Anregung ernst und bemühte sich zunächst, mehr vegetarische Mahlzeiten aus der Menüauswahl des Caterers in den Speiseplan aufzunehmen. Und der Kita-Träger ging noch weiter: Er schickte die Erzieher:innen zu den Schulungen der Sarah Wiener Stiftung und nutzte den Corona-Lockdown, um eine richtige Küche einzubauen. Dort wird seit den Sommerferien jeden Tag frisch für die Kinder gekocht. Ein toller Erfolg!
Trotz allem ist das noch die Ausnahme, wie mir der Anruf meiner Schwester neulich zeigte. Sie wohnt in Baden-Württemberg, in einem Dorf in der Nähe von Tübingen. Seit einem Jahr verspricht der Kindergarten den Eltern, den Caterer zu wechseln. Doch nun wurde dieses Vorhaben auf unbestimmte Zeit verschoben und die Eltern vertröstet. „Was kann man da machen?“, fragte sich meine Schwester ratlos und auch wütend.
Sicherlich sind noch mehr Eltern in Deutschland genauso ratlos und wütend wie meine Schwester. Für alle, die sich ein vernünftiges und leckeres Mittagessen für ihre Kinder wünschen, habe ich 3 Tipps für die ersten Schritte auf dem Weg hin zu einem gesunden Essen in Kita und Schule:
1) Macht euch schlau. Oft wissen Träger, Erzieher:innen und andere Eltern nicht, wie ein gesundes, leckeres Mittagessen aussehen kann, weil sie es vielleicht selbst nicht kennengelernt haben. Ernährungsbildung ist bisher nicht Teil unserer Schulbildung. Deutschland ist bei der Wertschätzung von gesunder und bewusster Ernährung Ländern wie Frankreich oder Italien weit hinterher
2) Traut euch, das Thema in eurem Kindergarten/eurer Schule anzusprechen. Sucht euch andere Eltern, für die gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit ebenfalls ein wichtiges Thema ist. Berücksichtigt allerdings immer, dass Ernährung ein sensibles und sehr persönliches Thema ist. Gut ist es, wenn man sich auf wissenschaftliche Standards berufen kann.
3) Recherchiert, welche Alternativen es gibt. Gibt es an anderen Schulen einen Caterer, zu dem man wechseln könnte? Wäre eine eigene Küche denkbar?
Um euch den Einstieg in das Thema etwas zu erleichtern, habe ich für euch Links zu kostenlosen Broschüren und Publikationen gesammelt und wichtige Netzwerke zum Thema Gemeinschaftsverpflegung zusammengestellt. Ich hoffe, dass hilft euch weiter. Ich würde mich freuen, wenn ihr eure persönlichen Erfahrungen und Erfolgserlebnisse mit uns teilt, per E-Mail, Facebook oder Twitter.
Und jetzt loslegen!
Viel Erfolg wünscht euch
Charlotte 🙂
3 Antworten auf „3 Schritte zum guten Mittagessen“
Das Schulbuffet in der Schule meines Kindes ist immer ausreichend ausgelegt. Es erspart mir das Schmieren von Brot und gibt meinem Kind genug Nährstoffe, durch die Verschiedenheit. Ich wusste nicht, dass es eine Art Ernährungsbildung gibt und man das Thema bei der Schule ansprechen sollte!
Meine Tochter kommt mal in eine Kindergruppe. Ich wusste aber nicht, dass Erzieherinnen oft nicht über gesunde Ernährung und somit über ein gesundes Mittagessen wissen. Dies werde ich in der Kindergruppe ansprechen, ob dies ebenfalls der Fall ist.
Seitdem die Tagespflege für Kinder wieder offen hat, informiere ich mich darüber, wie ich meiner Tochter hinsichtlich dem Essen etwas Gutes tun kann. Dank dem Artikel habe ich mich getraut, den Kindergarten auf die Essensituation anzusprechen. Zum Glück habe ich eine tolle Tagespflege, die super darauf reagiert hat.